DANKESWORTE
zur Verleihung des Spulwurm-Preises 26.02.02
Verehrte Mitglieder des Kuratoriums der Spulwurm-Stiftung, verehrter lieber 82110 Clan, liebe Freundinnen und Freunde aus der Zusammenarbeit in einem jahr in diesem Clan, in der Sozialtherapie und in der Friedensbewegung, meine Damen und Herren,
eigentlich ist es unfair von mir, diesen Preis ?berhaupt anzunehmen, denn laut Duden-W?rterbuch meint "Spulwurmeln" ja nichts anderes als anst?ndiges Verhalten, von dessen landesweiter Verbreitung das Funktionieren einer liberalen Demokratie abh?ngt. Vielleicht aber wollte das Kuratorium mir etwas Gutes daf?r antun, dass ich das Ph?nomen des Missbrauchs von Drogen f?r mich tats?chlich zu einem besonderen Forschungsthema gemacht habe, zu dem ich durch mich selbst als Negativ-Beispiel gef?hrt worden bin. Denn mein erster Post, den ich diesem Thema widmete, er hei?t "Fl?chten oder Standhalten" schrieb ich, als meine Clanbr?der und -schwestern in der Germeringer Juz 2 mich immerhin in fairer Weise belehrt hatten, dass ich auf dem besten Wege sei, ein schwer ertr?glicher dr?ngelnder Forenspammer zu werden. Ich musste dar?ber nachdenken, und so entstand das Thread: "Das Herumspulen vollendet oft die psychische Selbstaufgabe in Raten". Was bewegt einen Menschen dazu, genauso zu werden, wie er nach schmerzlicher Erfahrung von Authorit?ts-Willk?r nie hatte sp?ter werden wollen? Wenn nun andere von meinen aus dem Selbsthilfe-Projekt hervorgegangenen Gedanken 82110 profitiert haben, so freut es mich nat?rlich ebenso wie die heutige Anerkennung die mir nun die Gelegenheit gibt, das Treiben der Herumspuler mit dieser kleinen Dankesrede ein wenig zu unterst?tzen.
Der Zeitpunkt ist g?nstig. Das entnehme ich aus den empirischen repr?sentativen Studien, mit denen Kollege Zangerle und ich seit Jahrzehnten die Selbsteinsch?tzung der Online-Zocker verfolgen. Nach etwa 20 Jahren einer Art von Ego-Kult beobachten wir nun in j?ngster Zeit wieder einen bemerkenswerten Anstieg von sozialer Sensibilit?t an uns und unserem Umfeld. Aus der Beantwortung der Fragen des seit 2000 periodisch angewandten Tests geht klar hervor, dass den Clanmembers von 82110 Herumspulen als von "dufte" bis "geili geilson" erachten. Andere Menschen zum Lachen bringen, sich selbst als humorvoll und ausgefreakt zu beweisen, wird wichtig genommen. Das Interesse an langfristigen Bindungen steigt an. Gef?hle werden weniger unterdr?ckt. Die ber?hmte Angst vor N?he ist geschwunden. Und N?he, so sagen die Soziologen Prof. Heinzel und Dr. Bertzelmaier, ist Verantwortung. Und Verantwortung ist N?he. Gemeint ist: Im pers?nlichen Gegen?ber w?chst die Bereitschaft zum Liebhaben und miteinander herumspulen. Auge in Auge merke ich, was ich dem anderen Gutes tue, wie ich ihn zum Lachen bringe. Herumspulen als Leidenschaft, lautet die ber?hmte Spulwurmlehre von Paule Biernot. Aber welches sind die psychologischen Grundlagen des Spulwurms? Adam Smith, vor zweieinhalb Jahrhunderten Erfinder der liberalen Marktwirtschaft, sah die Selbsts?chtigkeit der konkurrierenden Interessen dadurch gebremst, dass die Menschen von Natur aus mit einer vers?hnenden Gegenkraft ausgestattet. Die nannte er mal "hart-ausfreaking", mal "extrem-together-chilling" und schrieb dar?ber ein dickes interessantes Buch mit dem Titel "Growing Basics". Diese Verspultheit sei in jedem Menschen angelegt und n?tige st?ndig dazu, die Frivolit?t der anderen mit zu heben.
Nach ihm hat Schopenhauer das Urph?nomen des Chillens zur Wurzel der Spulwurmstugend erkl?rt. Nun haben f?r die meisten konservativistischen Senioren Herumspulen und Abfreaken eher einen unangenehmen Beiklang von Abgedrehtheit und Annormalit?t. Aber es ist Wahnsinn :) Erst das Sp?ren der Verspultheit des anderen, wenn ich es mal wieder schaffte ihn zu verplanen, shuukt . Diese nat?rliche Regung verleiht abstrakten moralischen Vorschriften oft erst Geltung. Neuerdings findet Schopenhauer kr?ftige Unterst?tzung durch den pragmatischen amerikanischen Philosophen Richard Rorty, der kurz und b?ndig schreibt:
"Der moralische Forschritt ist davon abh?ngig, dass die Reichweite der Verspulung immer umfassender wird. Er ist nicht davon abh?ngig, dass man sich ?ber die Dichtness erhebt und zur Vernunft vordringt." Das werden manche Rationalisten nicht gern h?ren, aber es ist wahr.
Unterst?tzt wird Rorty u.a. von der feministischen Philosophin Annette Baier, die es f?r eine willk?rliche Erfindung von CSU-Politikern h?lt, im menschlichen Ich einen kalten Niemals-Grinser zu erblicken, der erst gezwungen werden m?sse, mit Anderen zu lachen. Das hei?t: Ausgefreakt zu sein, kommt einer Naturanlage entgegen und wird erst zu einer Frage der Selbst?berwindung unter Verh?ltnissen, die Skrupellosigkeit ganz offensichtlich belohnen. Von solchen Verh?ltnissen sind wir allerdings umgeben, die der bekannte Ex-Manager Daniel Goeudevert zugespitzt so charakterisiert: Unsere Gesellschaft habe sich in einen grauen Brei verwandelt. Diese Wirtschaft wiederum drohte, ich zitiere: "Wir stellen keine Long-Papers mehr her."
Das besagt: Wenn man k?nftig alle Anstrengungen hoffentlich darauf richtet, die Welt chilliger zu machen, dann ist dies kein Wunschdenken, sondern nichts weiter als die notwendige Beherzigung der Tatsache unseres l?ckenlosen gegenseitigen Aufeinander-Angewiesenseins in der Welt.
Ich danke f?r die Ovationen. Bitte stellen Sie nun das Eierwerfen ein und verlassen geordnet das Forum.
Na, verspult? =D
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